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Daten

Adresse

Gemeinde Lantsch/Lenz

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Jahr

Ausführung 2013 - 2025

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Bauherr

Gemeinde Lenz​

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Fotos

© Lukas Murer

Vom Agrarbau zur Freizeitidylle

Bauhistorische Verpflichtung versus Individualbedürfnisse

 

 

Schaffung der Sondernutzungszone Tschividains, Lantsch/Lenz

Auf dem Gemeindegebiet von Lantsch/Lenz liegt in einer idyllischen Waldlichtung die Maiensässsiedlung Tschividains. 17 Gebäude wurden hier einst für Agrarzwecke erstellt, im Laufe der Jahre dann nacheinander zu Wohnbauten umgebaut und fortan als Maiensässe für Erholungszwecke genutzt.

Um den ursprünglichen Charakter der Siedlung bestmöglich zu erhalten und die weitere Nutzung klar zu regeln, beschlossen die Gemeinde Lantsch/Lenz und der Kanton Graubünden eine Erhaltungszone über das Gebiet auszuscheiden. Im Zuge einer Ortsplanrevision (2008–2013 ) wurde deshalb die Maiensässsiedlung Tschividains in eine Spezialzone mit Gebietssonderregelung nach Art. 18 RPG überführt, um auch rechtlich eine klare Situation zu schaffen.

 

Der Gemeindevorstand trat an unser Architekturbüro mit dem Auftrag heran, klare gestalterische Grundsätze mit verbindlichen Richtlinien auszuarbeiten. Die Absicht war, die einzelnen Bauten möglichst in ihrer einstigen Erscheinungsform zu belassen, nachteilige Veränderungen rückgängig zu machen und klare Angaben für neue bauliche Eingriffe zu definieren. Die Gestaltungsrichtlinien sollten die Eigenart der Bauten möglichst stärken und eine harmonische Einbettung ins Landschaftsbild gewährleisten; daher waren auch Vorgaben für den Aussenbereich gefordert.

 

 

Vom Heu- und Viehstall zum Feriendomizil

Traditionelle Maiensässe sind funktional auf das Nötigste reduziert. Ihr Erscheinungsbild widerspiegelt die Nutzung, die verfügbaren Baumaterialien und das Selbstverständnis ihres Verwendungszwecks.

In Tschividains sind es minimalistische, rein ökonomische Zweckbauten ohne Wohnbereich, die wie lose zerstreute Würfel selbstverständlich aus dem Boden ragen. Der ursprüngliche Zweck ist bei allen derselbe und form- sowie siedlungsbestimmend. Charakteristisch sind hier zwei Geschosse: Heustall/Scheune im Obergeschoss und Tierstall im Erdgeschoss. Die herkömmliche Nutzung bestimmte auch die Grösse der Öffnungen: ein grosses Tor für Heuablagen und Gerätschaften, eine Stalltüre für Einlass des Viehs und zwei kleine Fenster für Frischluftzufuhr.

 

Als Zeugen der traditionellen Berglandwirtschaft erfüllen sie heute Freizeitwünsche nach Ruhe, Rückzug, Einfachheit, Naturnähe und Romantik. Greift man den Aspekt der Einfachheit, des Reduzierten heraus, ist die Brücke zum ursprünglichen Gebäudeausdruck und zur Bausubstanz geschlagen. Es sind bescheiden anmutende, zweigeschossige Strickbauten in Fichte, manchmal mit niedrigem Sockel in Stein, mit zweckdienlichen Öffnungen.

Auf diese wenigen, aber prägenden Merkmale und Prinzipien greift der Leitfaden mit den Gestaltungsrichtlinien zurück.

 

 

Nach der Umsetzung

Die inzwischen bereits erfolgte Umsetzung der Gestaltungsrichtlinien hat dazu geführt, dass die Siedlung Tschividains wieder authentischer und homogener wirkt, was sich auf das Siedlungs- und Landschaftsbild positiv auswirkt.

Mochten die baulichen Auflagen vielleicht für manche einschränkend wirken, bieten sie in ihrer konsequenten Umsetzung Gewähr, dass der Siedlungscharakter gestärkt wird und die Immobilien dadurch eine Wertsteigerung erfahren.

 

Tschividains ist ein gelungenes Siedlungsbeispiel, wo die bauhistorische Verpflichtung über das Ausleben von Individualbedürfnissen gestellt wird; der politische Wille und die gestalterischen Maximen waren die Mittel dazu.

 

Verbindliche Gestaltungsrichtlinien

 

Einbettung in die Landschaft

+ Vegetation bis ans Gebäude heranführen, schlichte Einbettung in Topografie und Landschaft 

+ Einfache, mobile Holzbänke an Fassade

+ kleiner Vorplatz, Natursteinplatten in Sand verlegt

+ Sickersteine für Wasserspeier

– Keine Geländeveränderungen

– keine zusätzliche Bepflanzung mit Büschen, Stauden, Bäumen

– Nebenbauten, Aufstockungen sind verboten

– Verzicht auf feste Einrichtungen wie Tische, Bänke, Grill, Fahnenstangen, Parabolantennen, Einfriedungen

– Keine PP vor den Gebäuden

 

 

Elektro- , Wasser- und Abwasserleitungen

+ Stromgewinnung über flächenmässig begrenzte Photovoltaikpanele

+ eigener, versenkter Abwassertank vor dem Haus

+ ein gemeinschaftlicher Brunnen für alle

– Keine Ladestation für Elektrogeräte

– Kein individueller Wasseranschluss

 

 

Dach

Dachaufbau mit Ort- und Traufdetail an historischem Bestand ausrichten, in Dimensionierung minimal halten

+ Dachabdeckung: Holzschindeln in Lärche/Tanne oder graues, mattes Blech

+ Kamine: graues, mattes Blech, max. Durchmesser 25cm, Höhe max. 1m über Dachhaut, max. 0.5 m über First

+ Entlüftungsrohre, Schneefänger und Dachrinne: graues, mattes Blech

– kein Wellblech

– keine Ziegel, keine Eternitplatten

– Kamine: möglichst keine

 

 

Aussenwände

+ Holz unbehandelt, natürlich verwittern lassen

+ niedrige Sockelmauern, Zementstein verputzt

+ Solarpanele mit definierter max. Fläche

– keine An- und Aufbauten wie z.B. Satellitenschüsseln

– kein Betonsockel

 

 

Türen und Fenster

+ Grosses Scheunentor belassen, dahinter Glasfenstertüren möglich

 + grosse Klappläden von Scheunentor belassen, bei Abwesenheit schliessen

+ Stalltüre in Grösse und Form belassen, dahinter Glasfenstertüre, bei Abwesenheit schliessen

+ Neue Öffnungen: seitlich je ein neues Fenster, max. 60x40cm

– keine Klappläden bei den kleinen Fenstern

 

 

 

Legende: + Erlaubtes    – Verbotenes

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